Amsterdamer Theologie

 

 

Ich fühle mich in meiner theologischen Arbeit sehr der Amsterdamer Schule verbunden, darum hier eine kleine Einführung:

 

Vielleicht vorab, es ist keine neue Glaubensrichtung, Sekte oder ähnliches. Es ist lediglich eine besondere Weise, die Bibel zu lesen und Exegese zu betreiben.

 

 

 

Entstehungsgeschichte

 

Zunächst möchte ich ein paar Eckpunkte zur Entstehung der „Amsterdamer Schule“ nennen: Amsterdam, die Stadt war durch den Kalvinismus eher reformatorisch geprägt, also schon von daher sehr auf das Lesen der Schrift fixiert. Hinzu kam und kommt, dass die Stadt in vielerlei Hinsicht eine besondere Atmosphäre hat, zu der die jüdische Präsenz wesentlich beitrug und beiträgt. „Mokum“ (abgeleitet von Maqom Alef [Mokum Ollef], „der erste Ort“) war die jüdische Bezeichnung für Amsterdam, denn Amsterdam galt im Judentum seit der Vertreibung aus Spanien 1492 bis zur Deportation der niederländischen Juden durch die Nationalsozialisten ab 1942 als Jerusalem des Westens. Christliche Theologie in Amsterdam ist deswegen auch christliche Theologie in Mokum.

 

So spielt bei der Entwicklung der Amsterdamer Theologie neben dem reformatorischen Schwerpunkt des Bibellesens der jüdisch christliche Dialog eine große Rolle.

 

 

 

Was ist Amsterdamer Theologie?

 

Die Amsterdamer Theologie geht von der Einheit des Kanons und von der heute vorliegenden literarischen Gestalt der Schrift aus. Wer „den Sohn“ hören und verstehen will, muss ihn im Gespräch mit Mose, den Propheten und den Psalmen hören

 

Die Sammlung der Hebräischen Schriften ist entstanden als liturgisches Buch: um eine gemeinsame Erfahrung zu bewahren, der Befreiung zu gedenken, sie zu feiern, auf sie zu hoffen. Daher sind die Texte großenteils hymnisch, poetisch, narrativ, sie dürfen nicht

 

historisch oder dogmatisch gelesen werden. Sie müssen klingen.

 

 

 

Inhaltliche Einleitung

 

Wenn man die Bibel nun im Zusammenhang liest und versteht, wird man auch Jesus als Juden, der in der Tradition des jüdischen Volkes gelebt und gewirkt hat begreifen. Und die Tradition des jüdischen Volkes ergibt sich nun mal aus dem Lesen, Leben und Feiern des Alten Testamentes. Ja, man sah und sieht bis heute Jesus verwurzelt in den Texten und Verheißungen des Alten Testamentes. Darum sind nicht nur messianische Bezüge des Alten Testamentes für uns Christen heute wichtig, sondern die ganze Geschichte dieses Volkes, die seit Jesus auch zu unserer Geschichte geworden ist. Auch wenn hier unbedingt ein behutsames Miteinander geboten ist.

 

Aber weil das so ist, sind nur beide Testamente zusammen zu lesen, zu verstehen, zu leben und zu feiern. So wird dann zum Beispiel die Einsetzung des Abendmahls Jesu innerhalb des Pesach-Mahles im Zusammenhang gesehen. Das Volk Gottes feiert hier Befreiung und auch die Passion Jesu ist Befreiung. Es fällt nach Amsterdamer Sichtweise nicht zufällig, historisch so zusammen, es ist literarisch so zusammen geschrieben worden, damit wir Befreiung feiern sollen, heute, Jedes Jahr neu. Jedes mal neu, „wenn wir von diesem Brot essen und aus diesem Kelch trinken“. Wir sollen gedenken. Gedenken ist mehr als bloßes Erinnern. Gedenken heißt, es zu leben, sich in diesem Fall von dem Gefühl der Befreiung verändern lassen. Und zu einem solchen lebendigem Gedenken kommt man eben, wenn man die Bibel als Literatur erfasst und nach eben solchen Parallel-Geschichten sucht. Denn nur so wird man erfassen, wie oft Gott sein Volk befreit und geführt hat und daraus lässt sich dann ableiten, dass er damit heute nicht einfach aufhören wird, sondern bis an der Welt Ende, sein Volk führen und befreien wird. Und das stärkt den Glauben.

 

 

 

Wie wird nun Exegese betrieben?

 

Der Text selbst darf es sagen, dass heißt, die Bibel legt sich selbst aus.

 

Wenn man biblische Texte urtextnah und in größeren Zusammenhängen liest, wird man auf eine Vielzahl von Parallelen stoßen. Hier wird mehrmals dasselbe Wort benutzt, dort sind ganze Sätze gleich. Das alles hat eine Bedeutung, der Schreiber dieser Texte will uns Dinge augenfällig machen. Begebenheiten sollen auffallen, die für unseren Glauben wichtig sind.