Examenspredigt zu Matthäus 20

Predigttext Matthäus 20, 1-16a

20,1 Denn das Himmelreich gleicht einem Hausherrn, der früh am Morgen ausging,

um Arbeiter für seinen Weinberg einzustellen.

20,2 Und als er mit den Arbeitern einig wurde über einen Silbergroschen als Tagelohn,

sandte er sie in seinen Weinberg.

20,3 Und er ging aus um die dritte Stunde und sah andere müßig auf dem Markt stehen

20,4 und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg;

ich will euch geben, was recht ist.

20,5 Und sie gingen hin. Abermals ging er aus um die sechste

und um die neunte Stunde und tat dasselbe.

20,6 Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere und sprach zu ihnen: Was

steht ihr den ganzen Tag müßig da?

20,7 Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand eingestellt.

Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg.

20,8 Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter:

Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei den letzten

bis zu den ersten.

20,9 Da kamen, die um die elfte Stunde eingestellt waren,

und jeder empfing seinen Silbergroschen.

20,10 Als aber die ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen;

und auch sie empfingen ein jeder seinen Silbergroschen.

20,11 Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn

20,12 und sprachen: Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet,

doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und Hitze

getragen haben.

20,13 Er antwortete aber und sagte zu einem von ihnen: Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen?

20,14 Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem letzten dasselbe geben wie dir.

20,15 Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist?

Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin?

20,16 So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.

Gebet

Liebe Gemeinde,

Was ist das für ein Landwirt? Er handelt ganz und gar nicht nach unserem Gerechtigkeitssinn, die Arbeiter, die nur eine Stunde gearbeitet haben, bekommen bei ihm genauso viel, wie die, die den ganzen Tag hart geschuftet haben? Das kann doch nicht wahr sein. Es will uns einfach nicht behagen, das da einer ist, der in unserer Leistungsgesellschaft eben nicht nach Leistung entlohnt.

 

Dieser Weinbergbesitzer, dieser Herr ist uns fremd. Aber was erwarten wir denn eigentlich von diesem Herrn, diesem Gott, von dem Jesus da im Gleichnis erzählt? Sähe es nicht schlimm um uns aus, wenn unser Gott uns so entlohnen würde, wie die Welt uns entlohnt? Darum ist es gut, das wir auf diesen Gott hoffen können, der so ganz anders ist als diese Welt.

 

Auch die Menschen, die Jesus nachgefolgt sind, seine Jünger, lebten in einer sehr innigen und tiefen Hoffnung. Die Propheten hatten immer wieder verheißen, dass der Gott Israels sein Volk nicht verstoßen noch verlassen werde. So sehnt sich ihr Herz nach diesem Gott, der in den Psalmen erhofft und durch die Propheten angekündigt wird, zum Beispiel bei dem Propheten Micha im 5. Kapitel.

Groote:

Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda,

aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei,

dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.

Kasteleiner:

Erfüllt Jesus nun all ihre Hoffnungen? Nein, aber er gibt Antwort auf die vielen Verheißungen des Alten Testamentes. Ja, er lebt ganz und gar in der Tradition und in der Frömmigkeit des Judentums. Alles, was er tut und sagt, wurzelt Im Alten Testament. Durch Jesus wird der alltestamentliche Glaube konkret, lebendig und fassbar, durch ihn kommt der Gott Israels uns ganz nah, er wird Mensch.

 

Beim Lesen der Geschichten des neuen Testamentes vergessen wir diesen doch sehr engen Bezug zum Alten Testament oft. Doch nur wenn wir um die Verheißungen und Hoffnungen des Alten Testamentes wissen, können wir das Neue Testament in rechter Weise lesen und verstehen. Es beginnt dadurch in viel stärkeren Farben zu leuchten.

 

Wagen wir es doch einmal, die Bilder dieses Gleichnisses vor dem Hintergrund des Alten Testamentes zu deuten: Da ist zunächst einmal der Weinberg. Der Weinberg steht im alten Testament für Israel. Wir lesen im Psalm 80

Groote:

Du hast einen Weinstock aus Ägypten geholt,

hast vertrieben die Völker und ihn eingepflanzt.

Du hast vor ihm Raum gemacht und hast ihn lassen einwurzeln,

daß er das Land erfüllt hat.

Berge sind mit seinem Schatten bedeckt

und mit seinen Reben die Zedern Gottes.

Du hast seine Ranken ausgebreitet bis an das Meer

und seine Zweige bis an den Strom.

Kasteleiner:

Ein Gleichnis also für das Volk Israel und von seinem Hausherrn, dem Gott Israels? - nehmen wir es doch einmal so an und lesen wir dann weiter, dass dieser Hausherr selbst ausgeht, um Arbeiter für seinen Weinberg zu suchen. Ja, schon von alters her ist uns dieser Gott bekannt, als ein Gott, der Menschen ruft: So lesen wir in Gen. 12,1-3

Groote:

Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland

und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause

in ein Land, das ich dir zeigen will.

Und ich will dich zum großen Volk machen

und will dich segnen und dir einen großen Namen machen,

und du sollst ein Segen sein.

Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen;

und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.

Kasteleiner:

Wir haben also einen Herrn, der uns entgegen kommt, der uns zunächst einmal ohne unser Zutun in seinen Dienst ruft. Dies geschieht nicht einfach autoritär, Abraham wird reicher Lohn zugesagt und auch mit den Arbeitern im Weinberg verhandelt der Weinbergsbesitzer und wird mit ihnen einig über einen Silbergroschen als Tageslohn.

Der Gott Israels ist also kein unnahbarer Herrscher, Jesus sagt uns in diesem Gleichnis, der Gott Israels ist ein Du, das uns entgegen kommt und mit dem wir reden sollen.

Wir lesen weiter, dass dieses Du immer wieder ausgeht, Menschen sucht, anspricht und sendet. Den ganzen Tag tut er dies.

Die Bibel ist ein Buch, das nicht in unseren Zeitkategorien denkt, vielleicht ist dieser eine Arbeitstag im Weinberg gleichzusetzen mit dem Tag dieser Welt, mit der Zeitspanne in der Gottes Heilsplan mit uns Menschen erfüllt werden soll.

 

So gesehen stehen wir in einer Linie mit Abraham, Isaak und Jakob, mit Mose, und den Propheten. Aber auch mit denen, die uns erst in letzter Zeit im Glauben vorangegangen sind, und mit denen, die uns noch folgen werden. Es sind alles Tagelöhner im Weinberg Gottes. Und das gleiche Du, das schon Abraham gerufen hat, dieser Weinbergbesitzer geht auch heute noch aus auf die Märkte und Plätze unserer Städte, sucht, spricht an und sendet.

 

Zu welchen konkreten Aufgaben der Weinbergbesitzer seine Arbeiter sendet, lässt das Gleichnis offen. Es wird offensichtlich als allgemein bekannt voraus gesetzt, was in so einem Weinberg zu tun ist. Darf es also auch als allgemein bekannt voraus gesetzt werden, was im Volk Gottes für seine Erhaltung zu tun ist? Das Bild des Weinberges selbst gibt uns Anleitung genug dazu. Hier muss gehegt und gepflegt werden, da ein junger Trieb angebunden, dort etwas Unkraut ausgerissen werden. Es geht also um eine Arbeit im Kleinen. Wir sind als einfache Tagelöhner Gottes nicht verpflichtet, uns mit Strukturfragen des Weinbergs zu befassen, dafür haben wir unseren Weinbergbesitzer. Möge es denen bewusst sein, die Verantwortung tragen für die Leitung der Landeskirchen, der Kirchenkreise, aber auch für unsere Emmaus Gemeinde, einer kleinen Parzelle des Weinbergs Gottes.

 

Soweit unsere Vorstellungen über die Arbeit in diesem Weinberg, doch wie gesagt, im Gleichnis selbst bleibt offen, was die Arbeiter dort für Dienste verrichteten. Aber eins wird deutlich, dieser Weinbergbesitzer mag keine vereinzelten Müßiggänger, zu jeder Zeit des Tages geht er aus, um die, die er findet, der großen Gemeinschaft der Arbeiter zuzuführen und um ihnen am Ende zu geben was recht ist.

 

Dieses Ende des irdischen Arbeitstages, der uns allen noch bevor steht, wird im Gleichnis vorweg genommen. Am Ende dieses Tages wird also ausgeteilt was recht ist. Es wird der Lohn ausgeteilt, der morgens vereinbart wurde, der Weinbergbesitzer steht zu seinem Wort. So steht auch der Gott Israels zu seinen Verheißungen, der Gott Israels ist treu.

 

Der Herr des Weinbergs lässt uns also das zukommen, was wir brauchen, um gut leben zu können, denn ein Silbergroschen war zur Zeit Jesu der Lohn, von dem eine Familie einen Tag leben konnte. Unser Herr zahlt eben keinen Stundenlohn, wie es nach weltlichem Maßstab üblich ist, damit wir uns Schätze auf Erden sammeln könnten.

 

Er zahlt rechten Lohn, stellt uns alle am Ende gleich, damit niemand, der zu Gott kommt, Mangel leiden muss. Und wird einst unser irdisches Denken aufhören, das nur nach Erfolg und Rangordnung strebt, dann wird es so sein, wie es eines der moderneren Lieder unseres Gesagngbuches besingt:

Groote:

Dann stehen Mensch und Mensch zusammen

vor eines Herren Angesicht,

und alle, alle schaun ins Licht,

und er kennt jedermann mit Namen.

Kasteleiner:

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft,

bewahre unsere Herzen und Sinne in Christo Jesu.

Amen.

 


Zweite Predigt zu Jesaja 42

Jesaja 42,1-9

 

1 Siehe, das ist mein Knecht - ich halte ihn - und mein

Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe ihm

meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen.

 

2 Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht

hören auf den Gassen.

 

3 Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden

Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus.

 

4 Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen, bis er auf

Erden das Recht aufrichte; und die Inseln warten auf seine Weisung.

 

5 So spricht Gott, der HERR, der die Himmel schafft und ausbreitet, der

die Erde macht und ihr Gewächs, der dem Volk auf ihr den Odem gibt und den Geist denen, die auf ihr gehen:

 

6 Ich, der HERR, habe dich gerufen in Gerechtigkeit und halte dich bei

der Hand und behüte dich und mache dich zum Bund für das Volk, zum

Licht der Heiden,

 

7 daß du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus

dem Gefängnis führen und, die da sitzen in der Finsternis, aus dem

Kerker.

 

8 Ich, der HERR, das ist mein Name, ich will meine Ehre keinem andern

geben noch meinen Ruhm den Götzen.

 

9 Siehe, was ich früher verkündigt habe, ist gekommen. So verkündige

ich auch Neues; ehe denn es aufgeht, lasse ich's euch hören.

 

Kasteleiner

Liebe Gemeinde,

Haben Sie in den letzten Tagen einen Besuch bei guten Freunden gemacht? Wie läuft so ein Besuch eigentlich ab? Ich schelle, begrüße den guten Bekannten herzlich in der Haustür, dann folge ich ihm in die Wohnung und weil ich nun einmal etwas neugierig bin, schaue ich mich fast unwillkürlich in der Wohnung um. Ich nehme vielleicht Blumen und Bilder wahr, entdecke womöglich das ein oder andere vertraute Buch im Bücherregal, natürlich nehme ich nichts heraus, ich schaue es mir eben nur an und spüre so eine gewisse Verbundenheit zu dem Menschen, den ich da gerade besuche. Später sitzen wir dann vielleicht bei einer Tasse Tee oder Kaffee gemütlich zusammen und unterhalten uns. Wahrscheinlich nicht nur über das Wetter, sondern weil wir uns schon länger kennen, sind es oft intensivere Gespräche. Wir tauschen uns aus, ich akzeptiere die Meinung des anderen und profitiere sogar von seinen Erfahrungen.

 

Genauso stelle ich es mir vor, als Christ Gast im Hause Israel zu sein und genau das gilt es an diesem Sonntag, der ja Israel-Sonntag ist, zu bedenken. Vieles ist mir vertraut in diesem Haus, schließlich ist das Christentum tief in der Geschichte Israels verwurzelt und eng mit ihm verwoben. So wird uns natürlich dies und das in den Regalen bekannt vorkommen, doch wir dürfen das was uns gefällt nicht einfach herausnehmen und nur für uns beanspruchen. Uns sollte immer bewußt bleiben, dass alle Bücher, Schriften und Verheißungen des Alten Testamentes zunächst einmal Erbe des Volkes Israel sind, aber dass wir durch Jesus Christus an diesem Erbe teilhaben dürfen. Wir dürfen wissen, dass eben das, was für Israel gegolten hat, durch Christus auch für uns Christen heute gilt. Aber es ist ganz wichtig, dieses kleine Wörtchen auch nicht zu übersehen, denn nur so können wir gute Gäste im Hause Israel sein und nur so kann ein echter Austausch stattfinden, der den anderen akzeptiert.

 

Hören wir nun noch einmal die ersten 4 Verse unseres Predigttextes:

Groote

Siehe, das ist mein Knecht - ich halte ihn - und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen.

 

Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen.

 

Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus.

 

Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen, bis er auf Erden das Recht aufrichte; und die Inseln warten auf seine Weisung.

Kasteleiner

 

Unser Text beginnt mit dem Wörtchen „Siehe“, einem Aufruf an alle, die die folgenden Worte hören, aufmerksam zu werden, inne zu halten in dem, was sie gerade tun. Siehe, das ist so ein Wort, das uns jäh unterbricht in unserem Alltagsgeschäft. Siehe, pass auf, hör zu, jetzt kommt etwas Neues, Unerwartetes.

 

Und was geschieht? Gott stellt uns in diesem ersten Teil unseres Textes seinen Knecht, vor, womit ziemlich eindeutig das Volk Israel gemeint ist, denn einige Verse vor unserem Predigttext heißt es: „Du aber Israel mein Knecht, Jakob, den ich erwählt habe,“ [Jes.41,8] Da wir uns als Gäste im Hause Israel mit einbezogen fühlen dürfen, hören wir quasi, wie Gott sich uns als sein Volk vorstellt. Da hören wir zunächst: „Siehe, das ist mein Knecht – ich halte ihn – und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat.“ Gott hält sein Volk, er hat sein Wohlgefallen an ihm; an den im Exil lebenden und dadurch in ihrem Glauben sehr angefochtenen Israeliten einerseits und an uns heute andererseits. Dabei läuft damals wie heute bestimmt nicht alles nach Gottes Willen, doch seine Grundhaltung ist, dass seine Seele an uns sein Wohlgefallen hat. Ist das nicht eine der größten und schönsten Geschenke des Glaubens, zu wissen, dass Gottes Grundhaltung zu mir so ist, dass er an mir sein Wohlgefallen hat?

 

Gott spricht in diesem ersten Teil von einem ihm, dem Gottesknecht, dem Gottesvolk oder, wie wir es heute sagen, von der Kirche als kollektive Größe.

 

Als erstes wird über diesen Knecht gesagt, er wird nicht schreien noch rufen. Heißt das für die Kirche heute etwa, sie soll keine Werbung für sich machen? Vielleicht heißt es, dass die Kirche eben nicht im Strom der heutigen Werbekampagnen mitschwimmen sollte und mit hohlen Sprüchen an Plakatwänden zwischen Zigarettenwerbung und Bildzeitung plakatieren sollte. Sie hat eben stillere und dafür tiefere Werte zu vermitteln. Würde die Kirche sich ganz und gar auf das Recht oder die Leitlinien verlassen, die ihr von alters her gegeben sind, sie in Treue hinaus tragen, wie es der Text sagt, hätte sie genug zu verkündigen. Denn Treue oder Verlässlichkeit ist es, glaube ich,was die Menschen heute suchen. Auf eine zuverlässige Weisung warten sie auch heute, in einer Zeit die geprägt ist von gesellschaftlichen und sozialen Umbrüchen, kaum eine Arbeitsstelle ist mehr unbefristet, der zunehmende Drang nach Individualisierung macht es oft schwierig, verlässliche Lebensgemeinschaften zu erhalten. Ist da nicht die Kirche umso stärker gefordert, Verlässlichkeit zu vermitteln indem sie eben in Treue seine Weisung hinaus trägt? Dabei könnte sie sich konsequent darauf verlassen, dass da geschrieben steht: das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen, allem Augenschein unserer landeskirchlichen Situation zum Trotz.

 

Wir hören die Verse 5-7 unseres Predigttextes:

Groote

So spricht Gott, der HERR, der die Himmel schafft und ausbreitet,

der die Erde macht und ihr Gewächs, der dem Volk auf ihr den Odem gibt

und den Geist denen, die auf ihr gehen:

 

Ich, der HERR, habe dich gerufen in Gerechtigkeit

und halte dich bei der Hand und behüte dich

und mache dich zum Bund für das Volk, zum Licht der Heiden,

 

daß du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus

dem Gefängnis führen und, die da sitzen in der Finsternis, aus dem

Kerker.

Kasteleiner

Im zweiten Teil unseres Predigttextes stellt Gott selbst sich zunächst seinem Volk vor und zwar als mächtiger Schöpfergott. Er hat die Welt geschaffen und auch den Menschen auf ihr das Leben eingehaucht und ihnen seinen guten Geist gegeben.

 

In dieser Vollmacht spricht er weiter: „Ich der HERR habe dich gerufen,“ ins Leben gerufen. „Ich halte dich bei der Hand und behüte dich.“ Hier spricht ein Ich zu einem Du, es ist die persönlichste Form der Anrede, die wir kennen. Sie dürfen sich also ganz persönlich angesprochen fühlen. Wie gut tut es, zu wissen, da hält mich jemand bei der Hand und dieser jemand hat auch noch die Vollmacht, mich zu behüten. Könnte ich in dieser Gewissheit nicht vollkommen sorglos leben? Ach, stünde uns doch dieses Wort ganz hell vor Augen, wenn es in uns dunkel wird in Stunden der Angst und Anfechtung, in Tagen der Krankheit oder Trauer.

 

Es stehe uns aber auch vor Augen, wenn wir wie in unserem Predigttext aufgerufen sind, das Licht der Heiden zu sein, blinde Augen zu öffnen und die Gefangenen aus dem Kerker zu führen.

 

Erinnern uns diese Verse nicht an das Leben Jesu Christi?

Ist das in unserem Text geforderte Handeln ist nach christlichem Verständnis nicht Nachfolge Jesu Christi? Er ist das Licht der Welt [vgl. Joh.8,12] und er hat die Augen der Blinden geöffnet. Sein Leben wurzelt ganz und gar im alten Testament und durch ihn sind auch diese Verse des Jesaja-Buches lebendig, konkret und anschaulich geworden.

 

Durch Christus haben wir erfahren, wie der Knecht nach dem Willen Gottes zu handeln hätte. Wenn wir nun versuchen in der Nachfolge Jesu Christi zu leben, versuchen wir zugleich die Anforderungen an den Gottesknecht, an das Gottesvolk zu erfüllen. So gelten also auch uns die gleichen Weisungen, die schon dem alten Israel gegolten haben. Das zeigt, wie eng wir doch mit diesem Volk verbunden sind.

 

Die Anforderungen an den Gottesknecht sind hoch und er hat seine Mission mit Christus längst noch nicht erfüllt. Noch gibt es mehr als genug von denen, die da sitzen in der Finsternis und unsere Welt ist weit davon entfernt, dass auf ihr Gottes Gerechtigkeit herrscht.

 

Uns Christen ist für die Fortführung der Mission Jesu Christi der Heilige Geist gegeben. Er vermag es uns jeden Tag aufs Neue zu trösten, an den Dingen nicht zu verzagen, die wir mit unserer menschlichen Kraft an dieser Welt nicht ändern können und uns dafür zu stärken, da die Not der Welt zu lindern, wo es uns möglich ist.

 

Und schließlich dürfen auch wir mit Israel darauf hoffen und darauf vertrauen, dass einst etwas Neues aufwächst, was uns zuvor verkündet wird, wie es im letzten Vers unseres Predigttextes heißt :

Groote

„Siehe, was ich früher verkündigt habe, ist gekommen. So verkündige

ich auch Neues; ehe denn es aufgeht, lasse ich's euch hören.“

Kasteleiner

Mit Christus ist uns dieses Neue bereits verkündet worden, Das Reich Gottes, es wächst also bereits auf, Wir sind nun dazu aufgerufen zu warten, wie es aufwächst. Doch dies ist keineswegs ein passives Abwarten, sondern eine aktive Vorbereitung, auf das, was da einst kommen wird. Vorbereitung geschieht, indem wir das Verheißene, das Bevorstehende in Wort und Tat weitererzählen, dass wir dazu einladen, sich auf den neuen Himmel und die neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt, zu freuen und dass es sich durchaus lohnt, sich auf eine lebenslange Pilgerreise mit diesem Ziel einzulassen, denn schon auf der Reise werden wir bei der Hand gehalten von dem der uns in Vollmacht behüten kann, dessen Seele sein Wohlgefallen an uns hat und der uns am Ende in Frieden aufnimmt.

Amen


Erste Predigt zu Lukas 14

Predigttext Lukas 14. 15-24

15 Als aber einer das hörte, der mit zu Tisch saß, sprach er zu Jesus: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes!

16 Er aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl

und lud viele dazu ein.

17 Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit!

18 Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm:

Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.

19 Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.

20 Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen.

21 Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein.

22 Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da.

23 Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde.

24 Denn ich sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird.

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Liebe Gemeinde,

wer kennt das nicht? - Terminüberschneidungen. - Ich habe mir einen Termin schon lange fein säuberlich in den Kalender eingetragen und plötzlich kommt etwas dazwischen, was mir im Augenblick viel wichtiger erscheint. Ich überlege, bekomme ich wohl beides unter einen Hut? Oder ich wäge ab, welcher Termin ist wohl vordringlicher?

 

So haben die Männer, die in der Geschichte zum Festmahl eingeladen waren, auch gehandelt. Ihnen war ihr alltägliches Geschäft wichtiger als so ein Festmahl. Es galt zwar damals wie heute als unhöflich, sich so einer Einladung zu entziehen, aber wenn die Pflicht ruft so ist eben keine Zeit zum Feiern.

 

Oh, wie gut kennen wir das. Oft sind auch wir so verstrickt in unseren Alltag, dass wir gar nicht mehr hören, wenn Er, der Hausherr uns einladen möchte, denn wir wissen, im Gegensatz zu den Männern in der Geschichte, wer dieser Hausherr ist. Es ist unser himmlischer Vater, der uns durch Jesus Christus einlädt an seinen Tisch und uns zu seinen Hausgenossen macht. Wie wir es eben in der Epistellesung gehört haben. Das also wussten die eingeladenen Gäste unserer Geschichte nicht. Sie ließen sich einer nach dem anderen entschuldigen. Und wie reagiert der Gastgeber darauf? Zunächst wird er zornig, dann tut er etwas, was für damalige Verhältnisse undenkbar war und auch für uns heute eher ungewöhnlich ist:. er schickt seinen Knecht los, er soll die hereinführen, die er in den Straßen und Gassen der Stadt und später auch vor der Stadt findet.

 

Was sind das für Leute? In der Evangeliumslesung haben wir eben gehört, dass Matthäus an dieser Stelle von Bösen und Guten spricht. Das wäre einfach zu behandeln, weil es in jeder Gesellschaft böse und gute Menschen gibt und jeder seine Erfahrungen damit hat und man nicht näher darauf einzugehen brauchte.

 

Aber wir haben die Geschichte zu bedenken, wie sie der Evangelist Lukas erzählt und da sind es nun einmal die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen, die der Knecht hereinführen soll. Wie ist diese Gruppe zu sehen? Wo kommt sie in unserer Gesellschaft vor? Oder wie können wir uns mit dieser Gruppe identifizieren? Moment mal, Wollen wir das überhaupt? Aber schließlich sind sie es, die an den Tisch des Herrn kommen.

 

Wir sind es gewohnt, viele biblische Geschichten im übertragenem Sinne zu sehen, so könnte ich hier auch ganz schnell hingehen und sagen: klar, gemeint sind die geistlich Armen, diejenigen, die zweifeln, die Gottes Weg nicht sehen oder die, die immer wieder stolpern über Gottes Verheißungen und nur mühsam auf ihrem Glaubensweg voran kommen. So wären wir dann alle irgendwie in diese Gruppe einbezogen und könnten uns entspannt zurücklehnen.

 

Doch halten wir das Bild von den Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen erstmal eine Weile aus. Zur Zeit Jesu war es ein alltägliches Bild. Auf den Straßen und Plätzen der Stadt saßen die, die aufgrund einer körperlichen Einschränkung nicht arbeiten konnten. Sie mussten betteln, um am Leben zu bleiben. Diese Menschen saßen da und warteten, sie warteten darauf, dass jemand kam, sie ansprach und ihnen eine milde Gabe gab.

 

Wie ist es heute? Die Armut in unserem Land nimmt zu und viele Menschen sitzen auch bei uns auf den Straßen und Plätzen unsrer Stadt und müssen betteln, Zwar oftmals nicht, weil sie aufgrund ihrer körperlichen Verfassung nicht arbeiten könnten, sondern weil zu wenig Arbeit da ist und die Zuwendung, die unser Staat ihnen gibt, oft zu knapp bemessen ist.

 

Es sind heutzutage also weniger die Menschen mit Behinderungen, die dort auf den Straßen um Almosen betteln. Sie haben, wenn bei ihrer körperlichen Behinderung auch eine geistige oder psychische Beeinträchtigung vorliegt und sie darum nicht auf dem freien Arbeitsmarkt vermittelbar sind, ihren Platz in der Werkstatt für Behinderte Menschen gefunden. Hier verrichten sie mit sehr viel Stolz und Freude ihre Arbeit. Doch schaut man genauer in den Alltag dieser Menschen, insbesondere der Menschen, die allein in eigenen Wohnungen leben und von Diensten der Diakonie betreut werden, so wird man oft feststellen: wenn sie nicht gerade beschäftigt sind, mit Aufgaben, die ihnen von außen gestellt werden, so warten sie, ähnlich wie die von den Hecken und Zäunen. Sie warten auf den Pflegedienst, der kommt, um sie zu versorgen. Sie warten auf den hauswirtschaftlichen Dienst, der ihnen die Wohnung sauber hält. Sie warten auf mich, ihre Sozialarbeiterin die mit ihnen spricht, mit ihnen Einkäufe erledigt oder sie versucht, aus ihrer Lethargie zu befreien. Doch oft habe ich das Gefühl, diese Menschen warten auf sehr viel mehr. Vielleicht warten sie sogar auf diesen Hausherrn, der sie durch seinen Knecht hereinführen lässt in seinen Festsaal. Und wenn wir eines von diesen Menschen lernen können, dann ist es dieses beharrliche, aufmerksame Warten und die dankbare Freude, mit der sie jeden empfangen, der kommt.

 

Behalten wir dieses Bild vor Augen und wenden uns wieder unserer Geschichte zu. Zwei Gruppen werden hier zum Festmahl geladen, das keinen Aufschub duldet. Die einen werden lange im Voraus eingeladen, sagen aber aus terminlichen Gründen kurzfristig ab. Die anderen werden ganz spontan ohne Vorbereitung zum Fest gebeten, sie gehen ohne Wenn und Aber mit. Aber eingeladen sind sie alle und zwar jetzt. Das ist entscheidend und im Grunde nur das! Es ist völlig belanglos, zu welcher Gruppe ich gehöre, mit wem ich mich wie identifizieren kann. Ich bin eingeladen. Ein Vers aus dem 2. Korinther Brief bringt dies auf den Punkt. Hier heißt es: „Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils“ [2. Kor. 2,6] Hiermit ist fast alles in einem einzigen Satz gesagt, was uns das Gleichnis vermitteln möchte. „Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils“

 

Diesen Vers gibt es als kleine Antiphon die wir ihnen gerne an dieser Stelle vor singen wollen. Und wenn Sie mögen, können Sie mit einstimmen und sich so eine kleine Melodie als Wegzehrung in Ihrem Herzen mit nach Hause nehmen. (Frau Kasteleiner und vielleicht auch ich werden die Antiphon drei bis vier Mal mit der Gemeinde singen.)

 

 

 

Und wann wird die Zeit der Gnade sein? Wir haben es gesungen: jetzt ist die Zeit der Gnade, ich muss also jetzt bereit und präsent sein für das Tun Gottes, für sein Handeln. Das setzt eine gewisse Wachheit voraus. Ich sollte also aufmerksam, bereit durch den Alltag meines Lebens gehen und nicht wie die eingeladenen Gäste im Gleichnis sagen: „'bitte entschuldige mich', ich habe genug mit den Sorgen und dem Treiben dieser Welt zu tun“. Nur wenn ich über den irdischen Problemen immer noch ein Stückchen Himmel sehen kann, dann kann ich mitten im Alltag Gottes Festtag erahnen.

 

Noch etwas an diesem Gleichnis ist für uns heute wichtig: Gott lädt jeden einzelnen von uns ein, nicht nur mich, sondern alle Menschen und versammelt sie einst, am Tag des Heils zu einer großen Gemeinde. Das heißt, wir sind nicht allein auf unserem Weg zu Gottes Festmahl, es gibt Weggefährten, die mitgehen, mit denen wir uns unterwegs austauschen können und auf die wir uns auch mal stützen können, wenn der Weg zu steil wird. Es heißt aber auch, dass jeder einzelne dafür Sorge trägt, dass die ganze Gemeinde Gottes beisamen bleibt oder zusammen finden kann. Gemeinsam sollen wir wach bleiben und bereit sein, immer wieder neu aufzubrechen, um den Weg zu Gottes Herrlichkeit weiter zu gehen.

 

Ein Drittes und Letztes ist an diesem Text für uns heute wichtig. Er steht in einem Spannungsfeld zwischen dem Ruf zur Nachfolge im Hier und Jetzt, und er lädt uns zugleich ein zu dem ewigen Festmahl, das uns nach dieser Welt verheißen ist. Wie bereit sind wir, dem ewigen Freudenmahl entgegen zu gehen? Wie sieht es aus, wenn der Herr uns zum letzten Mal aus dieser Welt zu sich einlädt in sein Reich? Sind wir bereit dazu, uns aus dieser Welt zu verabschieden am Ende unserer Tage? Sei es nun lange absehbar oder ganz plötzlich, durch eine kurze, schwere Krankheit oder einen tötlichen Unfall. Es ist gut, wenn wir dann, am Abend unseres Lebens bereit dazu sind, alles los zu lassen und uns ganz in die Hände unsres himmlischen Vaters fallen zu lassen. Oft ist es ein lebenslanger Prozess den wir über Jahre hinweg lernen müssen. Nicht umsonst betet der Psalmist in Psalm 90 „Herr lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ und lädt uns ein, mit einzustimmen. Denn nicht anders werden wir uns in rechter Weise auf das Festmahl unseres Herrn vorbereiten können.

 

Wir merken, wir haben es hier mit einem Gleichnis zu tun, das unser Leben in seiner ganzen Fülle im Blick hat. Mehr noch, wir begreifen, dass der, der dieses Gleichnis erzählt, Jesus Christus, unser Leben mit all seinen Licht- und Schattenseiten kennt. Es bleibt zu hoffen und uns zu wünschen, dass wir unsererseits auch Ihn im Blick behalten. Ihn, der unser Leben liebevoll und gnädig überblickt und heilen will und Ihn, der uns jeden Tag aufs neue einlädt. Denn ...

„Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade,

siehe, jetzt ist der Tag des Heils

Singen wir diesen kleinen Vers doch noch einmal: (Wir singen ihn etwa 3 mal durch)

 

Möge Sie die kleine zärtliche Melodie mit ihrer starken Aussage auch in der kommenden Woche begleiten und ihnen zusagen: Sie sind eingeladen zu Gottes großem Festmal stückweise schon im Hier und Jetzt, aber vollkommen einst in Ewigkeit. Darum lohnt es sich, aufmerksam zu warten.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christo Jesu. Amen.

 

 

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Im Nachhinein sei der Gottesdienst Frau Dorothee Müller gewidmet, einem Gemeindeglied und zugleich einer sehr guten Freundin von mir. Sie hat meinen Glauben und mein Leben in besonderer Weise mit geprägt. Wenige Tage nach dem Gottesdienst starb sie . Hier hat sie zum letzten Mal Gottes Wort auf Erden gehört, hat gesungen, gebetet und ist durch mich gesegnet worden. Unter diesem Segen Gottes ist sie dann entschlafen. Gott hab Dank für dieses Leben.

Amen